Unternehmer und Wissenschaftler forschen im Ilmenauer Projekt P:Mover an intelligenten Verkehrskonzepten
Nach der Vorstellung der beiden automatisiert fahrenden Kleinbusse im Projekt „CAMIL“, die künftig mit wissenschaftlicher Begleitung im Linienbetrieb die Strecke zwischen dem Bahnhof und dem Campus absolvieren, baut in Ilmenau ein weiteres Pionierprojekt mit der nächst höheren Automatisierungsstufe thematisch darauf auf. Gemeinsam forschen das Thüringer Innovationszentrum Mobilität (ThIMo) an der Technischen Universität Ilmenau sowie die Thüringer Unternehmen Lehmann+Partner GmbH aus Erfurt und die Funkwerk Systems GmbH daran, wie sich das Potenzial automatisierter Fahrzeuge nutzerfreundlich ausschöpfen lässt und welche infrastrukturellen Voraussetzungen dafür nötig sind. Gefördert wird das Vorhaben vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr.
Dass Ilmenau für das Forschungsprojekt ausgewählt wurde, ist dem Verbund an unternehmerischer und wissenschaftlicher Kompetenz in den Segmenten Funktechnologie und automatisiertes Fahren zu verdanken. Aus Sicht der Stadt ist die Studie unter realen Bedingungen deswegen interessant, weil sich ihre Fläche durch die Gebietsreform verdreifacht hat und die Zahl der Ortsteile von 5 auf 16 kräftig angewachsen ist. „Wir erhoffen uns von der wissenschaftlichen Bearbeitung des Themas wichtige Antworten auf die drängende Frage, wie wir den öffentlichen Nahverkehr der Zukunft zwischen der Kernstadt und den umliegenden Ortschaften optimieren können. Ein Ansatz dazu ist mittels Digitalisierung und Automatisierung kleingliedrigere Angebote organisieren zu können“, sagte Oberbürgermeister Daniel Schultheiß.
Unternehmen forschen an Lösungen für kommunale Verkehrsaufgaben
P:Mover heißt das Projekt, das eine Abkürzung des Anliegens „Pionierregion: Mobilitätslösungen im suburbanen Raum vernetzen“ ist und in Anlehnung an den englischen Begriff „People Mover“ für automatisierte Kleinbusse gewählt wurde. Die beteiligten Unternehmen nutzen das Vorhaben, um unter anderem neue Lösungen zur Erfüllung kommunaler Aufgaben im Straßenverkehr zu entwickeln. So verfügt die Lehmann+Partner GmbH aus Erfurt als mittelständisches Unternehmen mit 70 Mitarbeitern über eine gut 30-jährige Expertise auf dem Gebiet der digitalen Straßenbegutachtung. Für die Firma sind Forschung und Entwicklung essentiell. Deswegen wird Lehmann + Partner im Rahmen des P:Mover-Projekts eine spezielle Messtechnik zur Straßenzustandserfassung einsetzen und weiterentwickeln, kündigte Geschäftsführer Andreas Großmann an. Das Ziel: Einen größtmöglichen Umfang an Daten im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht zu erfassen. „Moderne Echtzeit-Funktechnologien ermöglichen uns in diesem Rahmen die zeitnahe Übertragung der Daten und damit auch den flexiblen Einsatz der Mitarbeiter vor Ort“, erklärte Projektverantwortlicher Ronny Stricker.
Die Funkwerk Systems GmbH, ein Unternehmen der Funkwerk AG mit ihrem Hauptsitz in Kölleda, verfügt über Expertenwissen in den Bereichen des Zugfunks, wozu die Ausrüstung von Schienenfahrzeugen mit Mobilkommunikationstechnik nach dem neuen 5G-Standard gehört. Ein weiteres Geschäftsfeld sind Fahrgast- und Informationssysteme. Außerdem ist die Sparte der Videosysteme Teil der Unternehmensgruppe. „Im Projekt P:Mover sind wir in zwei Arbeitspaketen tätig. Einerseits geht es um Fahrgastinformationssysteme, die aus Informationsanzeigen zum Beispiel für an Haltestellen wartende Fahrgäste bestehen. Andererseits geht es um die Übertragung von Sensordaten, Diagnose oder auch um die betriebliche Kommunikation zwischen Fahrzeug und betrieblicher Infrastruktur sowie zur Leitstelle“, sagte Nico Alte, Projektleiter und Systementwickler bei der Funkwerk Systems GmbH.
"Wichtige Weichen für die Mobilität der Zukunft werden gestellt"
Die Kernkompetenz Fahrzeugtechnik ist indes mit der Suche nach verkehrskonformen und technischen Lösungen für den fahrerlosen Betrieb eines Fahrzeugs der Stufe 4 betraut – dem zweithöchsten Automatisierungsgrad für Straßenfahrzeuge. Zu den Projektaufgaben im Zusammenhang mit P:Mover gehören Untersuchungen zum teleoperierten Fahren über eine Leitstelle. Die Kernkompetenz Funk- und Informationstechnik bewertet parallel die 5G-Netzabdeckung in Ilmenau und im Umkreis unter dem Aspekt von Verkehrsanwendungen. Besonderes Augenmerk legen die Wissenschaftler dabei auf die begleitende Forschung zur elektromagnetischen Umweltverträglichkeit von 5G-Funknetzen. „Am Übergang zwischen Forschung und Anwendung ist dieses Projekt ebenso herausfordernd wie zukunftweisend“, sagte Professor Matthias Hein, Direktor des Thüringer Innovationszentrums Mobilität, dessen Forscher bereits das Projekt „CAMIL“ von Beginn an wissenschaftlich begleiten, „denn jetzt werden wichtige Weichen für die Mobilität der Zukunft gestellt, die insbesondere die Bedarfe ländlicher Räume adressieren“. Für die Datenerfassung, -übertragung und -speicherung muss zudem eine IT-Infrastruktur konzipiert und realisiert werden, die den Anforderungen des Projekts gerecht wird.
P:Mover-Projektleiter Berk Altinel sieht in dem gemeinsamen Vorhaben einen wichtigen Schritt hin zu einem in der Zukunft neu gedachten öffentlichen Personennahverkehr. „Für uns ist das Projekt nicht nur ein rein wissenschaftlicher Schauplatz, sondern es soll am Ende ein greifbares Ergebnis stehen, das eine Grundlage für intelligente Verkehrskonzepte schafft“, beschrieb er das Anliegen.